The Fall from Grace

2008-03-30 Aus Von christiankohl

Kleines Rätsel: Wer ist Weltmeister im Schönreden und Nicht-Dazulernen? Werder Bremen.

Wie so oft im Leben hat eine solche Situation multiple Ursachen:

  1. Diego passt nicht zum System: Er ist ein super Spieler, keine Frage, aber: Er hält den Ball zu lange und macht es so dem Gegner einfach, das Bremer Spiel zu blockieren, da Freiräume schnell zugestellt werden können.
  2. Wenn Diego also grundlegend anders spielt als Micoud, dann hat der Trainer drei Möglichkeiten. (a) Diego nicht spielen lassen = verkaufen. (b) Der Mannschaft ein anderes Spiel/System beibringen. (c) Diego ein anderes Spiel beibringen. Schaaf hat leider Option (d) gewählt, none of the above: Einfach so weiter spielen wie bisher. Das Ergebnis sieht man. An guten Tagen klappt es trotzdem, entweder weil Diego so genial ist, dass er das kompensieren kann (wird aber immer seltener) oder weil der Gegner nicht diszipliniert genug steht. Ein Verkauf von Diego wäre das Beste, was uns derzeit passieren könnte.
  3. Gleichzeitig wird hinten noch mehr Risiko gespielt, da man – naiverweise – denkt, durch Aufrücken der Abwehrspieler mehr Druck erzeugen zu können. Genau das Gegenteil ist aber der Fall: Die Räume werden noch enger, Ballverluste sind durch die Enge programmiert, wir sind total anfällig für Konter. Auch dies ist seit 1 1/2 Jahren deutlich sichtbar, auch hier schafft es Schaaf nicht, das Problem zu lösen.
  4. Man kann Abseitsfalle spielen, keine Frage. Aber nur, wenn man extrem schnelle, sprintstarke Verteidiger hat. Wenn man also direkt hinter der Mittellinie auf Abseits spielt, dann nur mit flotten Abwehrspielern. Die haben wir aber nicht. Seit vier Jahren machen wir dieselben Fehler, das geht gegen Spitzenteams häufiger schief, weil deren Stürmer die Chancen besser verwerten, aber auch schlechtere Mannschaften haben den einen oder anderen treffsicheren Stürmer (Ishiaku, Sestak, …). Ganz klarer Fehler des Trainers: Er hat es über Jahre nicht geschafft, dieses taktische Defizit zu beheben.
  5. Man lässt sich von Einzelresultaten blenden und redet alles schön. Klar, man hat gegen Real Madrid gewonnen zu Hause. Aber: Real war in Deutschland noch nie gut, Real spiel teilweise genauso taktisches Harakiri wie Werder, insofern war das von beiden Seiten „run and gun“, wie der Basketballer sagen würde. Gegen solche Teams sehen wir immer gut aus. Problem: Solche Teams gibt es kaum, gegen ein wohlgeordnete, disziplinierte Defensive, sei es Barca, Wolfsburg oder Duisburg, finden wir keine Mittel. Gleichzeitig hatten andere Teams Schwächephasen, weshalb man in der Liga noch ganz gut stand.
  6. Man schiebt Misserfolge gerne auf „Pech“ oder „Schiedsrichter“ o.ä. Klar, in Einzelfällen trifft das auch immer mal wieder zu, 100% Erflog erreicht man nie. Aber die systematischen Gründe werden über Jahre nicht behoben, das ist aber Aufgabe des Trainers.
  7. Man kauft zunehmend ungeeignete Spieler ein. Carlos Alberto hat uns nicht nur finanziell geschadet, sondern dürfte auch ordentliche Unruhe und Neid in der Mannschaft gesät haben. Auch ein Sanogo ist irgendwie nicht so der tolle Zeitgenosse, dieses Urteil maße ich mir mal aus der Ferne an. Auf dem Platz dagegen fehlen die „Drecksäcke“: Ein Maik Franz bspw. (von dem ich fußballerisch nicht so viel halte), hat genau das, was fehlt: Aggressivität, Zweikampfhärte, Arschlochfaktor, clevere Provokation. Von Roy Keane oder Patrick Viera wage ich nur zu träumen. Wir haben nur Klasnic. Ein fitter Frings schafft da sicher ein wenig Abhilfe, ist aber zu wenig. Ansonsten stehen bei uns nur nette, naive Schwiegersöhne (Fritz, Mertesacker, Rosenberg, …), junge unerfahrene Spieler oder ausländische Eigenbrötler, die schon vom nächsten Vertrag bei einem anderen Club träumen auf dem Platz. Naldo hat mir anfang der Saison Hoffnung gemacht, als er Klose für sein Verhalten in der letzten Saison abgestraft hat, aber das blieb leider die Ausnahme.
  8. Die Kombination Trainingsplanung und medizinische Abteilung ist nicht optimal, einige Verletzungen hätten sicher vermieden oder zumindest besser behandelt werden können.
  9. Hinzu kommt: In all der Euphorie über zurück gekehrte Verletzte hat man vergessen, dass genau diese Phase die Schwierigste ist. Fallen die Spieler aus, kriegen andere Spieler die Chance, sind engagiert, die Mannschaft füllt die Lücken. Kommt der Spieler zurück, braucht er Anlaufzeit, muss teilweise mitgeschleppt werden. Neben etwaigen atmosphärischen Störungen ist das Leistungsvermögen einfach eingeschränkt, bestes Beispiel war ja Piräus zu Hause … .
  10. Last but not least: Man glaubt anscheinend immer noch, Wiese sei ein überdurchschnittlich guter Keeper. Er ist Durchschnitt, nothing more, nothing less. Für ein Spitzenteam zu wenig.

Alles Scheiße, alles Mist, wenn man nicht besoffen ist!